Mitglied werden
Kontakt aufnehmen
Innovationspreis-Projekt

Quartiersarbeit im Gesamtversorgungsvertrag

Name des Projektes:

Quartiersarbeit im Gesamtversorgungsvertrag

Träger:

MÜNCH-Stift-APZ GmbH, Münchweg 5, 50374 Erftstadt

Zielgruppe: 

Menschen in ihrer eigenen Häuslichkeit, Mitarbeiter:innen

Beschreibung: 

Die Grundlage unserer Arbeit bildet ein sektorenverbindender Gesamtversorgungsvertrag mit den Kostenträgern. Dadurch bieten wir alle Pflegeleistungen aus einer Hand und arbeiten mit einem gemeinsamen Mitarbeiterpool. Unser neu gegründeter ambulanter Pflegedienst versorgt die Mieter:innen unserer betreuten Wohneinheiten sowie die Bewohner:innen unserer inklusiven generationenübergreifenden Pflege-Wohngemeinschaft für Nicht-Demente – und das klimaneutral, ausschließlich mit dem Fahrrad oder zu Fuß.

Unser Quartier dient als Anlaufstelle für Senior:innen und Pflegebedürftige. Durch den ambulanten Dienst erreichen wir Menschen frühzeitig in ihrer Häuslichkeit und können dort bestehende Probleme erfassen. Ein wichtiger Baustein ist das durch das Landesprojekt „Miteinander digital“ geförderte Digitalcafé, das wöchentlich stattfindet. Es unterstützt nicht nur bei technischen Fragen wie der Online-Terminbuchung beim Arzt, sondern hilft auch, soziale Isolation zu durchbrechen. Dadurch entstehen Kontakte zu unseren Mitarbeitenden, die pflegerische Beratung bieten oder die Teilnehmer:innen zu unseren jahreszeitlichen Festen einladen.

Die Einbindung der Bewohner:innen in die Gemeinschaft ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts. So bietet eine Mieterin, die Künstlerin ist, in ihrer Wohnung Malkurse für Nachbar:innen sowie für Bewohner:innen der vollstationären Pflegebereiche an. Beim letzten Sommerfest konnten interessierte Bewohner:innen direkt ihre Kreativität ausprobieren. Eine andere Mieterin, die in ihrer Jugend geturnt hat, leitet nun ein regelmäßiges Bewegungsangebot im vollstationären Demenzwohnbereich. Der jüngste Mieter in der Wohngemeinschaft wurde zum Heimfürsprecher der Tagespflege nach der Heimgesetzgebung NRW gewählt und unterstützt zusätzlich als Springer an der Information.

Unser Ehrenamtsteam, die „Rikscha-Crew“, ermöglicht Rikscha-Fahrradtouren für Pflegebedürftige. Über einen Onlineterminkalender können alle Leistungsbereiche unseres Unternehmens diese Touren buchen. Aufgrund der großen Nachfrage wird das Angebot mit einer weiteren Rikscha nun auch auf Senior:innen in der Quartiersnachbarschaft ausgeweitet.

Ein weiteres Projekt ist der „Bürgergarten“, der im Frühjahr 2025 auf unserem Grundstück entstehen wird. Ziel ist es, Senior:innen und Pflegebedürftige aus der Nachbarschaft aktiv einzubinden, um ihre soziale Teilhabe zu stärken und sie frühzeitig in unsere Versorgungsangebote zu integrieren. Da zukünftig voll- und teilstationäre Pflegeplätze fehlen werden, gewinnt die längere Versorgung zu Hause an Bedeutung. Unsere Arbeit zielt darauf ab, die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen zu stärken und gleichzeitig die soziale Vernetzung zu fördern.

Durch diese Maßnahmen wird der oft geäußerte Eindruck des „Abgeschottetseins“ in Pflegeeinrichtungen aktiv durchbrochen. Unsere Bewohner:innen erleben durch den Kontakt mit der Nachbarschaft deutlich mehr soziale Interaktion als zuvor.

Wir verstehen Pflege ganzheitlich und gesamtgesellschaftlich und gestalten sie aktiv nachhaltig, inklusiv und generationenübergreifend.

Welche Verbesserungen konnten Sie erzielen?

Die Kultur im Umgang mit Pflegebedürftigkeit hat sich deutlich geöffnet – das Thema ist weniger tabuisiert. Transparente Arbeitsweisen ermöglichen Angehörigen, zukünftigen Mieter:innen, Gästen und Bewohner:innen frühzeitige Einblicke in die Einrichtung. Dadurch werden Barrieren abgebaut und falsche Vorstellungen korrigiert.

Das Digitalcafé bietet nicht nur Unterstützung im Alltag, sondern schafft auch neue soziale und ehrenamtliche Impulse. Menschen, die zuvor auf Unterstützung angewiesen waren, engagieren sich nun selbst – wie beispielsweise eine Ehrenamtliche, die einen rollenden Kiosk ins Leben gerufen hat.

Die Verzögerung der Pflegebedürftigkeit ist nicht nur für die betroffenen Personen positiv, sondern angesichts der begrenzten Pflegeangebote eine notwendige Entwicklung. Durch frühzeitige Beratung und Begleitung profitieren Angehörige von verkürzten Eingewöhnungszeiten, während Pflegebedürftige bereits mit den Abläufen der Einrichtung vertraut sind. Mitarbeitende erleben dadurch eine spürbare Entlastung, da Prozesse effizienter und strukturierter ablaufen.

Diese Arbeitsweise erweitert den Blickwinkel der Mitarbeitenden. Erkennt eine Fachkraft im Digitalcafé oder in Beratungsgesprächen einen zusätzlichen Hilfebedarf, wird dies intern weitergeleitet, sodass schnell reagiert werden kann.

Auch die Arbeitgeberattraktivität profitiert von diesem Konzept. Die Einrichtung hebt sich von klassischen Anbietern ab, indem sie über vertraglich gebundene Pflegeleistungen hinaus aktiv soziale Integration und individuelle Lösungen bietet. Besondere Maßnahmen wie das Einziehen eines Hundes in eine Wohngemeinschaft stärken die Identifikation mit der Einrichtung und machen sie zu einem besonderen Arbeitsplatz.

Eine Honorarkraft brachte dies vor Kurzem treffend auf den Punkt:
„Sie machen aus dem Unternehmen eine einzige große Familie.“
Dieses Lob unterstreicht den besonderen Charakter der Einrichtung – eine Pflegeeinrichtung, die nicht nur betreut, sondern verbindet und integriert.

Welche Ressourcen waren erforderlich?

Die wichtigste Ressource für die Umsetzung dieses Konzepts ist ein gelebtes Führungsverständnis. Mitarbeitende können nur dann nach dieser Idee arbeiten, wenn sie von der obersten Ebene vorgelebt wird. Dieses Verständnis muss sich auf alle weiteren Hierarchieebenen übertragen, um eine nachhaltige Umsetzung zu gewährleisten.

Personell wird das Projekt durch eine Mitarbeiterin begleitet, deren Stelle über das Landesprojekt „Miteinander digital“ refinanziert wird. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine befristete Teilzeitstelle. Die Mitarbeitenden der sozialen Betreuung übernehmen zusätzlich zentrale Aufgaben und fungieren als Bindeglieder, insbesondere wenn die Projektmitarbeiterin nicht verfügbar ist.

Ohne Spenden oder befristete Fördermittel wäre die Umsetzung des Konzepts finanziell nicht realisierbar. Dabei ist es paradox, dass Maßnahmen, die den Verbleib von Menschen in der Häuslichkeit verlängern, soziale Isolation verhindern und eine bessere Pflege und Betreuung ermöglichen, nicht dauerhaft gefördert werden. Die betroffenen Personen belegen dadurch zunächst keinen teil- oder vollstationären Pflegeplatz, was den Kostenträgern erhebliche Einsparungen ermöglicht.

Die flächendeckenden Angebote professioneller teil- oder vollstationärer Pflege reichen nicht aus, sodass eine quartiersorientierte Lösung dringend notwendig ist. Eine dauerhafte Refinanzierung solcher Projekte wäre eine einfache und sinnvolle Maßnahme. Die Umsetzung scheitert nicht an Machbarkeit oder Bedarf, sondern an der politischen Entscheidung, solche Ansätze langfristig zu fördern.